Zum Anlass des 42-jährigen Geburtstags des Brandies in Berlin, möchte ich Ihnen die Entstehunggeschichte des Hotels erzählen.
Die Pension Mania wurde 1957 von meiner Oma Nettchen (geb. 1908) im Haus Kaiserdamm 27 gegründet. Das Haus hatte mein Vater, Harry Brandies senior, von seinem Großcousin Walter Wett, einem erfolgreichen Berliner Konditormeister, geerbt. Meinem Vati gehörte zwar das schöne Haus am Kaiserdamm, aber der Nießbrauch lag bei drei Tanten, den Schwestern des Cousins. Meiner Oma väterlicherseits gelang es alle zu überreden und ihr die beiden schönsten Wohnungen zur Miete zu überlassen. Sehr einfallsreich und mit viel Improvisationstalent richtete sie die ersten 14 Zimmer in der 4. und 5. Etage ein. Ein altes Piano stand auf der Diele in der 5. Etage und dort wurde gefeiert, musiziert und gesungen. Meine Oma schlief in einem Eckchen in der Hotelküche (heute #54) und lebte für die Pension. Ihr verdientes Geld hortete sie unter der Matratze und ihr Erspartes tauschte sie in Goldmünzen ein, die mich kleines Mädchen sehr beeindruckten.
Als die Mauer 1962 gebaut wurde, befürchtete meine Oma, dass Berlin von den Westalliierten aufgegeben werden könnte. Meine Oma und meine Eltern verließen daraufhin Berlin. Die Pension Mania wurde 20 Jahre lang fremd vermietet. 1982 war mein Vater mit dem damaligen Pensionswirt im Streit. Er suchte einen neuen, zuverlässigen Pächter, der mehr Kosten für die Instandsetzung des Hauses übernehmen würde. Meine Chance war gekommen. Schon als kleines Mädchen mochte ich die Atmosphäre in der Pension Mania. Es gelang mir, meinen Vati von meinem Fähigkeiten zu überzeugen. Mein Startkapital waren 10 000 DM aus dem Verkauf einer Ruine mit Ziegenstall in einem hessischen Dorf, die mir meine Oma geschenkt hatte. Mit jugendlichen Schwung und der Hilfe meiner Schwester Gabi, stürzte ich mich in die Selbstständigkeit.. Ich dachte, wir bräuchten nur ein Telefon, um beim Verkehrsamt telefonisch jeden Morgen unsere freien Zimmer zu melden. Die Gäste würden dann schon kommen. Gestartet sind wir dann als Pension Mania, oben in der 4. und 5. Etage mit dem Frühstücksraum im Berliner Zimmer (heute #59 ohne Trennwand zum Flur) und dem Büro auf unserer Musiktruhe in der privaten Küche unserer Wohnung, die nebenan lag. Fast alle Zimmer hatten ein Waschbecken und zwei Zimmer konnten sogar eine frei im Zimmer stehende Duschkabine vorweisen, was vor 40 Jahren schon sehr modern war. Eingerichtet waren wir mit gebraucht gekauften Schlafzimmern und ersteigerten Möbeln. Die Zimmer waren blitzsauber, aber teilweise mit Möbeln und Gardinen von anderen Hotels ausgestattet, die dort herausgerissen wurden und für ein Trinkgeld nicht zur Kippe, sondern zum Kaiserdamm gefahren wurden. Alles lief besser als erwartet. Meinen ersten Dämpfer bekam ich durch die gerichtliche Aufforderung auf den Namen Mania zu verzichten. So musste die Pension Mania 1982 in die Pension Brandies, unseren Familienname umbenannt werden.
Draußen am Haus hatten wir ein kleines Schild und das war alles. Mein erster Gast, Herr R., mietete #40 für 37 DM inklusive Frühstück pro Tag für eine Woche. Wir hatten pro Etage nur das Etagenbad, heute das Bad von #0 und eine zusätzliche Toilette in der Wäschekammer. Morgens standen die Gäste Schlange vor dem Bad. Ein großes Problem war, dass die Gäste aus den vorderen Zimmern der Empore Halbmond und Vollmond (heute die Suite #62) kein Waschbecken hatten. Um ins Etagenbad zu gelangen, mussten sie ungewaschen mit verstrubbelten Haaren durch den Frühstücksraum gehen. Das war sehr peinlich und führte zur ersten Renovierung.
Mein Mann und ich waren im Praktischen Jahr des Medizinstudiums, es gab schon unsere Tochter, die kleine Aline, und dadurch nicht viel freie Zeit. Meine Tante Evi, Frau Fuldt, wurde als Allroundkraft für die Pension eingestellt, Frau Kanski übernahm den Nachmittagsdienst und nachts machten wir einfach zu. Wenn doch jemand kam, hörten wir die Klingel und mussten runter fahren, um die Haustüre zu öffnen. Wenn die Türe offen blieb, nutzten das manchmal Obdachlose um im Winter im warmen Hausflur oder auf dem Dachboden zu schlafen. Das führte zu unangenehmen Diebstählen wie zum Beispiel der gesamten Würste aus der Küche, also musste eine ordentliche Schließanlage im Haus installiert werden.
Ein großer Schritt für uns war die Einrichtung eines Büros hinter der Küche (heute Bad von #54), die Ausstattung aller Zimmer mit einer Dusche, die Anschaffung einer Telefonanlage und der Aufbau einer Rezeption in der Diele der 5. Etage. Als 1984 die 2. Etage frei wurde, entschloss ich mich, die Pension zu vergrößern. Meinen ersten Bankkredit in Höhe von 20 000 DM bekam ich nur, weil als Sicherheit unser Auto, ein alter Volvo verpfändet wurde und mein Mann mit seinem Assistenzarztgehalt für mich bürgte. 1985 kam die 3. und 1987 die 1. Etage hinzu. Wir waren fortan die Hotel-Pension Brandies und bekamen 1987 von der Deutschen Hotelklassifizierung der Stiftung Warentest 3 Sterne verliehen. Mein sogenanntes Röhrenprojekt, der Einbau aller Bäder wurde 1985 gestartet: vom Dach bis zum Keller wurden neue Wasser- und Abwasserstränge eingezogen. In den Schacht wurden gleichzeitig Kabel für TV und Telefon mitverlegt. Als das fertig war und die Hotel-Pension die größten Kreditrückzahlungen leisten musste, bekam mein Mann das Angebot als Doktorand für 2 Jahre nach USA an die Yale Universität zu gehen. Also haben wir uns mit inzwischen 4 Kindern aufgemacht und das Hotel in Tante Evis Hände gelegt. Das war ein großes Wagnis, aber meine Tante hat den Betrieb mit ihrer Persönlichkeit über alle Klippen hinweg sehr gut geführt. Das Konto war nach dem Riesenprojekt Badeinbau wie leergefegt, die Kredite mussten bedient werden und die Rezeption habe ich noch schnell vor der Abreise nach USA von Bleistiftlisten auf Computerprogramm und Reservierung per Fax umgestellt. Das war 1989 ausgesprochen modern, wurde aber von meinen Mitarbeitern sehr argwöhnisch betrachtet.
Wir hatten aber ein Riesenglück. Die Mauer wurde im November 1989 geöffnet und Berlin mit Gästen überschwemmt. Evi stellte jede Menge Zusatzbetten auf. Das Brandies lief ausgezeichnet, der Betrieb und die Familie waren gerettet. 1991 kamen wir mit der Familie nach Berlin zurück. Mein Mann fand leider in Berlin keine volle Stelle an der Universität. Er ging zunächst allein zurück nach USA, dann nach Frankfurt, wohin die Familie folgte. Wir beschlossen trotz des finanziellen Wagnis, den nächsten großen Schritt von der Hotel-Pension zum Hotel zu wagen und Rezeption und Frühstückszimmer aus der 5. Etage ins Erdgeschoss zu verlegen. 1992 wurde aus einem Elektroladen und der hinteren Garage unsere Rezeption mit Frühstücksraum, Küche und Umkleideraum der Mitarbeiter. Der Umbau verschlang mehr als eine halbe Million DM, erlaubte aber die Verwandlung der Hotel-Pension in ein Hotel. Das Brandies in seiner heutigen Gestalt mit 24h Rezeption und Lobby war entstanden. Der schöne Garten im Hof konnte angelegt und im Sommer zum Frühstücken genutzt werden. In den letzten Jahren wurden alle Bäder modernisiert und alle Zimmer mit Hotelmöbeln der Firma Neubert ausgestattet. Im Dezember 2012 entstand der Frühstücksraum neu mit einem professionellen modernen Büffet. Im Dezember 2013 haben wir die Rezeption überholt und den Renovierungscyclus der sechs Etagen wieder neu eröffnet.
Wir haben die große Coronakrise 2020 bis 2022 Dank der großzügigen Unterstützung der Bundesregierung gut überstanden. Unser langjähriges Team hat mit Kurzarbeit durchgehalten und ist heute wieder für Sie da. Ich freue mich besonders, dass das Brandies, wenn auch ein bisschen aus der Zeit gefallen, soviel Anklang bei den Gästen findet. Als Neuestes haben wir 2023 in allen Superior Zimmern eine Klimaanlage eingebaut und 2024 bekommen wir eine Markise für den Frühstücksbereich im Gartenhof. Frau Brandies, senior ist mit Ihren inzwischen 96 Jahren noch immer aktiv in der Gartengestaltung.
Ich möchte mich bei allen Gästen, ob aus der Anfangszeit oder aus der Gegenwart, für das entgegengebrachte Vertrauen in die Qualität des Brandies herzlichst bedanken. Das Team vom Hotel Brandies und ich schauen Dank der vielen guten Bewertungen unserer Gäste mit Zuversicht in die nahe und fernere Zukunft. Wenn Sie eine gute Idee haben, wie wir uns weiterhin verbessern können, bitte sagen Sie es uns.
Berlin, Januar 2024
Sibylle Korbmacher